Gaming Test: Octopath Traveler 2

Macht der Acht

Erhältlich für: Switch, PS4, PS5, PC

Oldschool Rollenspiele sind schon seit einigen Jahren wieder auf dem Vormarsch. Kein Wunder, war das  Genre einer der maßgeblichen Gründe, warum das SNES bis heute zu den absoluten Lieblingskonsolen gehört. PS1 und alles, was danach kam, war nur die Kirsche auf der gar schmackhaften Sahnetorte. Seit mehr als 10 Jahren knüpfen viele Spiele an die Anfänge des Genres an, den meisten Titeln gelingt dies aber nur mäßig. Für etwas größeres Aufsehen sorgte das 2012 erschienene Spiel Bravely Default 1 für den 3DS. Der ausführende Produzent des Spiels war Tomoya Asano. Das Spiel war so erfolgreich, dass auch noch weitere Teile folgten. 2018 hebte Asano aber ein völlig neue IP aus der Taufe: Octopath Traveler. Und auch dieses Spiel hatte einen großen Erfolg. Zwar waren die 8 Handlungsstränge sehr seicht und alles andere als spannend umgesetzt, aber diese Leichtherzigkeit, diese verträumte und gar idyllische Kulisse, gepaart mit einem motivierende Kampfsystem sorgten trotzdem für ein stimmiges Gesamtbild. Logisch also, dass auch dieses Spiel nach einem Nachfolger rief. Im Februar 2023 war es dann endlich soweit.


8 Freunde sollt ihr sein

Um es einmal gleich vorweg zu nehmen: Octopath Traveler 2 ist eigentlich genauso wie sein Vorgänger, nur in jeglicher Hinsicht erweitert. Fangen wir aber mal ganz klein an. In Octopath Traveler 2 gibt es keine übergeordnete Handlung, in der wir die Welt retten müssen, sondern 8 kleine, sehr persönliche Geschichten, die mal mehr, mal weniger gut umgesetzt sind. Ochette, Castti, Temenos, Osvald, Partitio, Agnea, Throne und Hikari. Richtig, alle Anfangsbuchstaben zusammen ergeben den Begriff Octopath. Acht Buchstaben, acht Charaktere. Cleverer, mathematischer Schachzug. Diese Geschichten handeln meist davon, dass man einem Rivalen XYZ die Stirn bieten möchte, weil Rivale XYZ irgendwas Böses angestellt hat oder uns einfach nur herausfordert. Der Hintergrund ist meistens zwar von dramatischer Natur, zum Beispiel die Diebin Throne, die nicht mehr in die kriminellen Machenschaften ihrer Organisation hineingezogen werden möchte, aber es schwingt auch immer so eine gewisse Leichtherzigkeit mit, da im Falle von Throne der Boss der Organisation viel von ihr hält und ihr ja zumindest die Möglichkeit einräumen möchte, aus der Organisation auszutreten. Na, wenn das mal kein netter Kompromiss ist. Zu Beginn suchen wir uns zwar einen Hauptcharakter aus, aber diese Wahl beeinflusst lediglich, wen wir in der Spielwelt fortan steuern werden. 

Zu Beginn müssen wir uns für unseren Hauptcharakter entscheiden


Überraschende Handlungen

Die Qualität der einzelnen Handlungen schwankt dabei schon mal ganz gerne. Interessant ist, dass die zu Beginn eher langweilig anmutenden Handlungsstränge oft wesentlich spannender umgesetzt wurden, als die auf dem Papier spannenden Handlungen. Dachte ich noch, Hikaris Rachefeldzug, um sein Land zu befreien, würde gar epische Ausmaße annehmen, war es dann am Ende doch der Kleriker Temenos, der als Hobbydetektiv kleinere Zwischenfälle löst, der mir von allen 8 Charakteren fast schon am meisten Spaß gemacht hat. Und dabei kann ich mit Klerikern eigentlich gar nicht so viel anfangen! Das Spiel schafft es dabei ganz gut, ein wenig mit den Rollenklischees und deren Erwartungen zu spielen. Den Gelehrten Osvald, der viel von Magie versteht, dürfen wir beispielsweise dabei helfen, aus einem Hochsicherheitsgefängnis zu entkommen. Ein Setting, dass man sich eher für einen Krieger, als für einen Magier vorstellt.

Der Kleriker ist einer der besten Charaktere im Spiel


Der Weg ist das Ziel

Haben wir uns zu Beginn auf einen Hauptcharakter festgelegt, gilt es erst einmal die restlichen 7  Helden in der Welt zu finden. Praktisch ist, dass wir auf der Weltkarte zu jeder Zeit nachschauen können, wo sich unsere potenziellen neuen Freunde versteckt halten. Das ist auch bitter nötig, denn unsere Helden befinden sich auf gleich zwei Kontinente. Tatsächlich werden wir einige Stunden damit zu tun haben, alle Charaktere einzusammeln und deren bisherige Abschnitte nachzuspielen, die im Durchschnitt jeweils 1 Stunde andauern. Kombiniert man das mit den Laufwegen, optionale Erkundungstouren, ein paar Grinding Minuten, dann dauert es über 10 Stunden, bis das Spiel erst einmal so richtig losgeht. Aber gerade dieser Einstieg übt eine eine sehr große Faszination aus. Wir kennen die Welt nicht, wir wissen nichts über die Kultur, über die Städte, über die Menschen, rein gar nichts. All das müssen wir selbst entdecken, es selbst herausfinden. Natürlich wird uns auf der Weltkarte angezeigt, wo sich der Gelehrte Osvald befindet, nämlich auf den östlichen Kontinent, wie wir aber genau dahin kommen, das bleibt uns überlassen, denn unsere persönliche Route legen wir selbständig fest. Wie wir diese Welt genau erkunden ist nämlich nicht vorgegeben und wenn wir wollen, können wir durchaus auch in Gebiete vorstoßen, die ein Level von 45 und höher verlangen. Selbstverständlich wird die empfohlene Levelempfehlung jedes Mal vor Beitritt einer neuen Örtlichkeit angezeigt, aber wenn wir wollen, dürfen wir natürlich unser Glück herausfordern.

Die Weltkarte zeigt uns jederzeit Standort des nächsten Handlungsabschnitts


Ein paar richtige Brecher

Ein Großteil des Spiels ist man, wie es sich für ein Oldschool Rollenspiel gehört, mit dem Kämpfen beschäftigt. Gekämpft wird dabei mit einem Rundenkampfsystem und es gibt... Zufallskämpfe.  Bedingt durch die Optik aber wohl nicht anders möglich.  War der erste Teil gerade für Neulinge recht knackig oder fast schon unspielbar, geht es im zweiten Teil deutlich humaner zu. Das soll natürlich nicht heißen, dass das Spiel jetzt sehr leicht ist, aber Bosse, die einen in der Hälfte des Kampfes mit einem Schlag komplett auslöschen können, sind jetzt nicht mehr Dauergast. Dennoch muss man taktisch agieren, um in den zahlreichen Kämpfen stets die Oberhand zu haben. Jeder Gegner hat dabei mehrere Schwachstellen (auch die Bosse!), die wir durch den Einsatz unterschiedlichster Waffen und Fertigkeiten herausfinden können und auch müssen. Nur so können wir die Verteidigung unseres Gegners brechen. Ist ein Gegner erst einmal gebrochen, ist er für kurze Zeit gelähmt und wir erzielen mit unseren Angriffen deutlich höheren Schaden. Die Kämpfe sind dabei so konzipiert worden, dass wir uns mit dieser Mechanik auch durchaus vertraut machen müssen, ansonsten können Kämpfe gegen die Bosse sehr, sehr, sehr lange dauern. 

Cleveres Ausnutzen der Schwächen sorgen für einen schnellen Sieg


Ich booste für den Boost

Ein weiterer Vorteil für uns im Kampf ist das sogenannte Boost System. Pro Runde sammeln wir mit jedem Charakter jeweils einen solchen Punkt an. Pro Boost Punkt dürfen wir einmal mehr angreifen oder aber, einer unser Spezialangriffe wird stärker. Auch dieses System kann, clever eingesetzt, manche Kämpfe gravierend verkürzen. Hat der Boss beispielsweise noch 3 Schilder und ist anfällig gegen Schwerter und wir haben mit Hikari noch 3 Boost Punkte, sollte der nachfolgende Zug ja wohl mehr als offensichtlich sein.

Hikari ist ein echter Brecher im Spiel!

Meucheln oder klauen? Das ist hier die Frage

Abseits der Kämpfe treiben wir auch in den zahlreichen Städten unser Unwesen und decken uns mit neuer Ausrüstung ein. Leider herrscht so gut wie immer Geldknappheit, da alle unsere Helden natürlich auch gleichermaßen neue Ausrüstung benötigen. Glücklicherweise kann man sich hier aber ein paar Vorteile verschaffe, die dem ein wenig entgegen wirken. Neben zahlreichen Quests, die zur Verfügung stehen, können wir die Nicht spielbaren Charaktere in der Welt auch einfach meucheln (wenn sie den Weg zu einer wohlbehüteten Schatztruhe versperren) oder dreist beklauen. Vorausgesetzt natürlich, wir haben den entsprechenden Charakter für so eine Aktion auch in der Gruppe. Zwar ähneln sich die meisten Interaktionsfähigkeiten untereinander, dennoch macht es Spaß, die verschiedenen Aktionen einmal durchzugehen und zu kombinieren. Besonders für die zahlreichen Quests muss man schon  mal mehrere Kombinationen herausfinden. Wer mag, kann es natürlich selbständig versuchen, aber ich musste leider so gut wie immer in die Lösung reinschauen. Hier wäre auf jeden Fall noch ein großes Verbesserungspotenzial.

Was Agnea hier wohl alles mitnehmen "darf"?

Das ist mein Job

Die unterschiedlichen Interaktionsfähigkeiten sind dabei an der Berufung des jeweiligen Charakters gekoppelt. Naja, fast. Tänzerin Agnea beklaut Leute, obwohl sie selbst immer wieder sagt, dass sie den Menschen ein Lächeln auf den Lippen zaubern möchte? Das nenne ich mal eine Doppelmoral, wow. Die Berufe sind aber auch in den Kämpfen praktisch umgesetzt, so ist Agnea als Tänzerin meist schnell am Zug und darf mit ihren Dolchen zuhauen. Hikari ist zwar deutlich langsamer, macht aber mit seinem Schwert dafür großen Schaden und Osvald ist der klassische Herr der Elemente. Nach den Kämpfen erhalten die Charaktere Berufungspunkte, die wir ausgeben können, um so weitere Fähigkeiten zu erhalten. Diese kommen meist mit auch mit ein paar coolen Zusatzeffekten mehr, erhöhte Statuswerte, erhöhte Erfahrungspunkte und ähnliches. Es bleibt jedoch nicht bei den klassischen Berufen, denn nach nach einigen Stunden schalten wir zum Beispiel den Beruf von Osvald frei, den wir als Zweitberuf einen unserer anderen Charaktere geben können. Es ist also kein Problem, Agnea dadurch zu einer tänzerischen Kriegerin oder Magierin werden zu lassen. Durch dieses System erhalten wir völlige Entscheidungsfreiheit, wie wir unsere Charaktere formen möchte, denn wir können unseren Zweitberuf auch zu jeder Zeit wechseln. Es lohnt sich alleine schon für die sekundären Fähigkeiten, verschiedene Berufe miteinander zu kombinieren, um so den ultimativen Charakter zu erschaffen.

Die Zweitberufe können jederzeit gewechselt werden

Das ist Kunst

Damit wären auch schon die wesentlichen Punkte von Octopath Traveler 2 abgehakt. Der wohl größte Pluspunkt des Spiels ist aber dessen Aufmachung: Es ist wunderschön. Ihr werdet so schnell kein schöneres 2D Spiel JRPG finden können! Die Städte sind voll mit Leben, überall dampft und raucht es, in der Wüste schimmert die Hitze durch, das kleine Dörfchen ist voll von Laubbäumen und auch sonst gibt es so viele einzigartige Szenarien zu entdecken. Selbst ein einfacher Laufweg von A nach B wird zu einem malerischen Trip. Und der Sound? Gigantisch, jedes Stück passt einfach perfekt zu der jeweiligen Situation, einfache Kampfstücke motivieren, Bosskämpfe bringen das Adrenalin durch die Musikuntermalung automatisch zum Kochen. Lediglich die Charakter Sprites hätten meiner Meinung nach ruhig hätten moderner umgesetzt werden können, aber das ist nur meine persönliche Präferenz.

Ohne Zweifel: Einer der schönsten 2D Rollenspiel überhaupt

Fazit

Ich mache kein Geheimnis draus: Octopath Traveler 2 ist fantastisch. Die Handlungen sind zwar sympathisch, reißen aber keine Bäume raus und die Interaktionsfähigkeiten im Zusammenspiel mit den den Quests hätte man auch klarer kennzeichnen können. Ansonsten ist das Spiel aber so gut wie in jeder Rubrik perfekt. Das Gameplay ist einfach zu verstehen und süchtig machend, die Welt sprüht vor Charme, überall gibt es etwas zu entdecken und diese offene Entscheidungsfreiheit trägt einen großen Teil zur Immersion bei. Wenn jetzt noch ein paar Kleinigkeiten verbessert werden, dann wird der nächste Teil ein richtiger Kracher werden.


Ich vergebe 9 von 10 klauenden Tänzerinnen.






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