Gaming Test: One Piece Odyssey

Wenn keiner zur Party kommt

Erhältlich für: PS4, PS5, PC, Xbox

Hach, was hatte ich mich auf One Piece Odyssey gefreut. Als das Spiel angekündigt wurde, dauerte es wahrlich nicht lange, bis ich hellhörig wurde: One Piece. Vollwertiges JRPG. In Dragon Quest Optik. Mangaka Eiichirō Oda ist daran beteiligt. Wow, da fiel mir doch glatt einer ab. Wurden meine Gebete endlich erhört? Ist es wirklich das Spiel, dass ich im One Piece Kosmos, den es immerhin schon seit 1997 in Manga Form gibt, schon immer sehen wollte? Dieser Frage gehen wir im nachfolgenden Test mal nach und kommen da auf ein sehr eindeutiges Ergebnis.


Plötzlich Level 1

Startet man One Piece Odyssey das erste Mal wird man erst einmal ein wenig erstaunt sein. Anders als man es vielleicht von anderen Adaptionen vom Franchise gewohnt ist, starten wir nämlich nicht mit den ersten Abenteuern von Ruffy und seiner Crew, sondern sind quasi "mittendrin". Die Handlung spielt zeitlich nach dem Dress Rosa Abschnitt, aber vermutlich vor der Konfrontation mit Big Mom. Dementsprechend haben wir es hier nicht mehr mit Anfängern zu tun, sondern mit gut ausgebildeten Charakteren, die rollenspieltypisch nicht auf Level 1 starten, sondern gleich auf Level 40 sind. Es dauert nicht lange und die Strohhutbande strandet auf einer geheimnisvollen Insel namens Waford. Entdeckungslustig, wie die Charaktere nun mal sind, entscheiden sie sich dazu, diese neue Insel zu erforschen und treffen dabei auf die von Serienschöpfer Oda geschriebenen Charaktere Lim und Adio. Doch dann kommt es zu einer Tragödie: Lims ominöse Würfel Fähigkeit sorgt dafür, dass die Piratenbande alle ihre Fähigkeiten und Erfahrungen verliert! Plötzlich haben wir es hier also nicht mehr mit Level 40 Charakteren zu tun, sondern mit blutigen Level 1 Anfängern. Was lernen wir daraus? Betrete als Pirat niemals eine fremde Insel, es passiert wirklich IMMER etwas schlechtes. Ruffy und co. können davon auf jeden Fall ein Liedchen singen.

Zu Beginn kann uns keiner was anhaben, auch nicht King Kong


Los Würfel, rollt

Level 1 ist natürlich reichlich suboptimal für weitere Abenteuer, weshalb sich die Strohhutbande dazu entschließt, ihre verlorenen Kräfte so schnell wie möglich wiederzuerlangen. Glücklicherweise weiß Lim natürlich, wie man die verlorenen Kräfte wieder zurück gewinnen kann. Erst das Problem in die Welt setzen und dann anschließend die Lösung präsentieren, da würde man ja fast denken, dass da noch mehr dahinter steckt?! Ein Schelm, wer Böses denkt. Um die verlorenen Kräfte zurück zu erlangen, müssen wir uns in sogenannte Memoria begeben, kleine Welten inmitten eines Würfels, die an vergangene Abenteuer der Strohhutbande erinnern.

Ob es wohl mehr mit der mysteriösen Lim auf sich hat?

Dich kenn' ich doch!

Tatsächlich sehen diese Memoria Welten nicht nur aus wie Schauplätze aus vorherigen Abenteuern, sie sind es sogar! Den Anfang der Würfel Odyssey macht der Wüstenstaat Alabasta und die dazugehörige Handlung. Sir Crocodile, einer der sieben Samurai der Meere, unterjocht das Land und es liegt an uns, ihm dabei das Handwerk zu legen. Selbstverständlich treffen wir dabei auch auf Personen, die wir schon aus dem Original kennen, wie beispielsweise Prinzessin Vivi und ihre treue Rennente Karuh.

Vivi darf in einem One Piece Spiel nicht fehlen

Das kenn' ich doch!

Aber nicht nur auf bekannte Figuren stoßen wir. Bleiben wir dabei erst einmal noch bei dem Beispiel Alabasta. Viele zentrale Orte des Landes werden auch in One Piece Odyssey von uns besucht. Sei es nun die Stadt Nanohana oder aber der ausgiebige Trip durch die Wüste. Das Feeling kommt dabei sehr gut rüber, oft fühlen wir uns wirklich wie im Anime. Wir folgen dabei nicht nur der Handlung, sondern erledigen auch noch diverse Nebenquests und versuchen uns zusätzlich auch an ein paar ausgeschriebenen Kopfgeldaufträgen. Diese sind alles andere als originell umgesetzt, aber dafür sehr amüsant geschrieben, so dürfen wir gegen den Chefkochmeister Jeff höchstpersönlich kämpfen, aber nicht der, den wir bereits kennen. Es fühlt sich alles sehr vertraut an, aber nicht zu vertraut, dass dabei Langweile entstehen könnte. Die Entwickler haben es dadurch geschafft, altbekanntes mit neuen Elementen zu kombinieren und diese Rechnung geht im Grunde wirklich gut auf. Allerdings begehen die Entwickler einen folgeschweren Fehler, auf den ich später im Test noch einmal zu sprechen kommen werde.

Wir besuchen im Laufe des Spieles diverse Orte aus dem Manga


JRPG nach Maß

Anders als in anderen One Piece Spielen hat man es in One Piece Odyssey mit einem klassischen Rundenkampfsystem zu tun. Treffen wir in der Spielwelt auf einen Gegner, wechselt der Bildschirm in den Kampfmodus über. Hier können wir auswählen, ob wir angreifen oder aber unsere Spezialfähigkeiten ausführen wollen. Zu Beginn haben natürlich nur ein begrenztes Auswahl an Spezialfähigkeiten zur Verfügung, aber je mehr Memoria Welten wir abschließen, desto mehr Fähigkeiten stehen uns zur Auswahl. Erfreulich ist, dass alle Attacken aus der Vorlage entsprungen sind, so dürfen wir mit Ruffy nach kurzer Zeit Gear 2 einsetzen, während Schwertkämpfer Zorro seine Gegner lässig mit seiner  Schwertfähigkeit Onigiri filetieren darf. Das sind Momente, in denen das Fanboy Herz höher schlägt!

Mit Hilfe von Ausrüstung können wir unsere Charaktere formen, auf Wunsch können wir auch die KI entscheiden lassen, was ausgerüstet werden sollen

Schere, Stein, Papier

Schon zu Beginn haben wir so gut wie alle Figuren aus der Strohhutbande in unserer Gruppe drin. Dadurch müssen wir uns nur bedingt Gedanken darüber machen, wie wir unsere Kampfgruppe, die aus 4 Personen besteht, formen wollen, denn jeder Charakter kann zu jeder Zeit durch einen anderen Charakter ausgetauscht werden. Dadurch können wir flexibel auf das Kampfgeschehen reagieren, wenn wir einen Buff benötigen oder den Charakter eine Zustandsveränderung verpassen wollen. Alle Figuren sind dabei in 3 Kampftypen eingeteilt: Kampf, Technik und Tempo. Kampftypen haben einen Vorteil gegenüber Tempotypen, sehen aber Alt gegen Techniktypen aus. Die Kampftypen gelten dabei auch für unsere Gegner, so dass wir am Ende des Tages auch gezwungen sind, unsere Gruppe inmitten der Gefechte immer wieder neu zu arrangieren. Die Kämpfen fühlen sich dadurch öfter auch mal wie Schach an, da man immer wieder überlegen muss, mit welcher Figur man seinen Zug machen möchte.

Einfach cool: Zorro hat es einfach drauf


Merkwürdiges Balancing

Die Kämpfe selbst sind zu Beginn noch extrem leicht, logisch, man ist ja am Anfang auch noch eine ganze Weile mit einer Level 40 Gruppe unterwegs. Das bleibt aber nicht lange so, denn spätestens nach den ersten beiden Kapiteln steigt der Schwierigkeitsgrad ordentlich an und man muss seine Figuren auch mal mit neuer Ausrüstung versorgen. Allerdings ist One Piece Odyssey viel zu nett zu uns Spielern. Kann Sir Crocodile uns tatsächlich ganz gut auf Trab halten, da wir ihn mit einem noch relativ niedrigen Level gegenübertreten und Heilung im frühen Stadium des Spiels noch nicht effektiv gegeben ist, wird das Spiel, nach dem Anstieg der Schwierigkeit, plötzlich wieder wesentlich einfacher, da wir immer bessere Techniken erlernen und wir uns nach und nach auch immer effektiver heilen können. Es ist später ganz egal, ob Boss XYZ mit seiner Attacke alle unsere Charaktere trifft oder nicht, wir können den Schaden so oder so immer wieder komplett heilen. 
Gönnt Adio uns unsere Fähigkeiten?

Wenn es Erfahrungspunkte hagelt

Aber nicht nur beim Balancing meint es das Spiel gut mit uns, auch wenn es um die glorreichen Erfahrungspunkte geht, werden wir ordentlich verwöhnt. In den Kämpfen erscheint sehr oft eine Art Nebenziel. Meistens lautet dies "Töte Monster XYZ in 1 Runde." Erfüllen wir dieses Ziel, hagelt es Erfahrungspunkte. Viele Erfahrungspunkte. TONNEN an Erfahrungspunkten. Gibt uns ein normaler Kampf gegen eine ganz normale Gegnergruppe 4000 Erfahrungspunkte, kann es sein, dass wir nach Kampfende satte 40000 Erfahrungspunkte kriege! Ja, die 0 mehr ist kein Schreibfehler. Das sorgt dafür, dass wir uns relativ schnell ziemlich hochpushen können, andererseits vermeidet dieses System natürlich auch stundenlange Grinding Sessions und kommt damit am Ende des Tages auch irgendwie dem Spieler und seiner eher geringen zeitlichen Verfügung zu Gute. Hier muss jeder für sich entscheiden, wie er dieses System bewerten soll.

Piraten: Die optimalen Kopfgeldjäger

Abseits der Hauptgeschichte gibt es generell sehr viel zu tun. Zahlreiche Nebenquests warten darauf, erledigt zu werden, zahlreiche Hindernisse wollen von uns überwunden werden. Wollen wir auf einem Felsen rauf, der eine Schatztruhe beherbergt, verlassen wir uns auf Ruffy und seiner Dehnungsfähigkeit, kommen wir durch eine Tür nicht hindurch, säbeln wir uns mit Hilfe von Zorro einfach durch. Habe ich eigentlich schon das Kochen erwähnt, mit dem man sich bald sehr mächtige Heilgegenstände basteln kann? Oder generell das Kombinieren verschiedener Ausrüstungsteile, um die Werte der Charaktere zu maximieren? Außerdem lassen sich in weiteren Miniabenteuern, die eine bestimmte Gruppenkonstellation vorgeben, spezielle Kombo Spezialfähigkeiten für den Kampf freischalten. Hinzu kommen noch diverse Kopfgeldaufträge, die zwar etwas merkwürdig sind, da wir als Piraten ja nicht unbedingt bekannt dafür sind, andere Piraten zu jagen, um dafür ein Kopfgeld einzuheimsen, aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch? Ich meine, hat das jemals mal ein Pirat ausprobiert? Bei der Marine angeklingelt und gesagt: "Ja Moin, ich weiß, ich werde gesucht, aber ich habe hier diesen Piraten gefangen! Kriege ich was dafür?" 

Macht zwar keinen Sinn, aber wir machen es trotzdem: Die Kopfgeldjagd

Wenn keiner da ist

Bis hier hin klingt alles doch super, nicht wahr? Jetzt kommt aber das große ABER. Erweckt es zu Beginn den Anschein, dass man die Handlung der jeweiligen Abschnitte in komprimierter Weise noch einmal nachspielt, mag man damit irgendwo auch Recht mit haben, hat die Rechnung aber dann eindeutig ohne One Piece Odyssey gemacht. Klar, wir spielen natürlich die Handlung von Alabasta nach, aber wer jetzt denkt, dass Charaktere wie Mr. 1 auf ihre wohlverdiente Abreibung warten: Nein, daraus wird nichts und wird sich auch in zukünftigen Memoria Welten nicht ändern. Fast alle Figuren aus der Handlung FEHLEN im jeweiligen Abschnitt! Zwar haben wir es in Alabasta mit Crocodile und der Baroque Firma zu tun, aber außer unserem Lieblingskrokodil und seinem Kanonenfutter bekämpfen wir hier (außer einem kleinen Cameo Auftritt) keinen einzigen Agenten, obwohl das Szenario eigentlich perfekt dafür geeignet wäre. Mein Gott, was waren das für tolle Kämpfe, die die Strohhutbande damals in Alabasta hatte und man zeigt davon keinen einzigen? Sehr schnell wird klar, auf welche Charaktere One Piece Odyssey Wert legt: Ruffys einstige Gegner. Außer denen, hat man es im restlichen Spiel nur noch mit deformierten Tieren und Kanonenfutter zu tun. Hier stellt sich mir wirklich die berechtigte Frage: Warum? Warum hat man das so gemacht? Lag es etwa am Budget? Warum baut man dann originalgetreu Ortschaften nach, wenn wir da eh niemanden antreffen? Das ist ja fast so, als würde man Häuser bauen und diese nicht nutzen. Sie sehen vielleicht gut aus und man kann sich vorstellen, wie es wäre, in so einem Haus drin zu sein, trotzdem stehen sie nicht zur Verfügung und man hinterfragt sehr schnell, warum diese denn dann überhaupt gebaut wurden. Wo liegt hier der tiefere Sinn?
Wollte im Spiel mit dabei sein, wurde aber geschnitten: Mr. 1

Ein spielbarer Anime

Optisch weiß One Piece Odyssey dafür wieder vollends zu überzeugen. Zwar erreichen wir hier zu keiner Zeit Next Gen Grafik, aber das muss auch gar nicht, denn das Spiel schafft es, durch seine schöne Anime Optik optisch zu faszinieren. Hinzu kommt noch die eingängige Musik von Motoi Sakuraba, den man eigentlich von der Tales of Reihe her kennt. Die Musik ist zwar nicht besonders fesselnd, untermalt das Geschehen aber durchaus stimmig.

Die Anime Kulisse begeistert zu jeder Zeit

Fazit

Es ist so schade, was aus One Piece Odyssey geworden. Nicht, dass es sich hier um ein schlechtes Spiel handelt, ganz im Gegenteil! Ich lobe mir an One Piece Odyssey die niemals langweilig werdenden Auseinandersetzungen, das Freischalten neuer Fähigkeiten, Kopfgeldaufträge, originalgetreue Schauplätze direkt aus der Vorlage und seinen unheimlich sympathischen Figuren. Das gilt auch für die beiden Neuzugänge Lim und Adio. Warum man sich aber dafür entscheidet, alte Handlungsstränge neu zu erleben, mit ein paar charmanten Änderungen, aber ansonsten ALLE wichtigen Figuren und die dazugehörigen Schauplätze zu streichen, kann ich einfach nicht verstehen. So ist das einfach nichts halbes und nichts ganzes. One Piece Fans wollen entweder etwas vollkommen neues oder etwas, was man kennt, aber dafür auch in all seinen großartige Facetten umgesetzt. One Piece Odyssey schafft beides nicht so wirklich. Potenzielle Neueinstiger würde ich hier klar abraten. Am Ende bleibt zwar ein gutes Spiel, aber keine Zielgruppe wird wohl vollends mit dem Produkt zufrieden sein.

Ich vergebe 7 von 10 Piraten Kopfgeldjägern, die ebenfalls Piraten sind


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